Der Tüftler mit den Tausend Ideen

Udo Lönneckers technisches und schauspielerisches Wissen ist bei den Domfestspielen nach wie vor gefragt

Von Susanne Ehrlich

Verden. Udo Lönnecker ist kein Mann der Su­perlative. Was er seit nunmehr 20 Jahren für die Verdener Domfestspiele leistet, findet eine schlichte Begründung: "Man tut das ja auch für sich selbst." Der Elektriker­meister, der bis zum Jahr 2001 bei den Verdener Stadtwerken beschäftigt war, stellt auch im Ruhestand all sein Kön­nen, seinen Ideenreichtum und seine zu­packende Energie für die "Grundversor­gung" der Domfestspiele zur Verfü­gung.  

Als Mitarbeiter der Stadtwerke hatte Lönnecker bereits die beiden Auffüh­rungen des "Bischofs von Verden" 1998 und 2000 mit Wasser und Strom ver­sorgt. "Damals gab es dort gar nichts", erinnert sich der 81-jährige Hüne. "Es mussten als Erstes lauter Leitungen ge­legt werden." Natürlich gab es für alles eine Lösung. Dann kam der Ruhestand, und der Tüft­ler mit den Tausend Ideen war plötzlich in den Leerlauf geschaltet. Sohn Kai wusste, was zu tun war: "Vater, wenn Du nicht irgendwas machst, sondern nur zu Hause rumsitzt, dann wirst du ganz schnell alt." 

Das wollte Udo Lönnecker auf keinen Fall, darum legte er sofort los. Bereits 2001 war er einer der aktiven Mitbe­gründer des Verdener Shanty Chores; er wurde Märchenerzähler in verschiede­nen Kindergärten und zog jeden Dezem­ber für die Lütten sein Weihnachts­mann-Kostüm an. Als Scharfrichter vom Piepenbrink sorgte der 1,90-Meter-Mann bei histori­schen Stadtführungen mit wallendem Bart, abenteuerlichem Out­fit, grimmiger Miene und einem impo­santen Schwert für Gänsehaut. 

Das Wetter als große Unbekannte

Und dann kamen die Domfestspiele 2003. "Im Herbst 2002 war im Grünen Jäger ein Casting", erzählt Lönnecker. "Ich wollte wieder bei der Technik mit­machen, weil ich mich damit ja schon auskannte." Aber dabei blieb es nicht: "Dieter Jorschik wollte unbedingt, dass ich auch noch eine Rolle übernehme. In 'Liebesleid und Mauerstreit' war ich dann der Brau­meister aus der Süder­stadt." Und dazu wegen seiner idealen Statur noch ein schwedischer Soldat: "Mittendrin musste ich mich immer um­ziehen."

Auch jenseits der Bühne kam jede Menge Arbeit auf ihn zu: "Weil das Wasser auf dem Platz nicht ab­floss, mussten wir richtig dicke Rohre verlegen. Später habe ich dann Vor­schläge zu einer dauerhaften Ent­wässe­rung gemacht." Sowieso habe das Wetter immer wieder für Prob­leme gesorgt. "Zuerst waren ja noch nicht einmal die Tri­bünen überdacht. Das wurde dann 2003 nachgeholt." Dies lag zwar in der Ver­antwortung einer Fremdfirma, aber je­denfalls wussten die Zuschauer den neuen Komfort zu schätzen, besonders bei der Wiederauf­nahme des "Mauer­streits" im Jahr 2005. "Wir haben immer 'Kondomfestspiele' gesagt", lacht Lön­necker. "Bereits bei der Premiere gab es Dauerregen, alle hatten durchsichtige Über­züge über den Kostümen."

Eigener Container für die Technik

Außerdem komme vom Domdach immer ein enormer Winddruck, benennt er ein weiteres Problem. "Und im Jahr 2003 konnte man hier noch gar nicht mit dem Handy telefonieren, weil das Kup­ferdach abgelenkt hat." Heute sei das Netz ja viel stärker, aber damals habe man sogar eine Festnetzleitung auf den Platz legen müs­sen, damit überhaupt eine Kommunika­tion nach außen möglich war.

Viel Überlegung habe die Ausleuchtung des Platzes erfordert: "Die Scheinwerfer durften keine Schatten auf die Spiel­bühne werfen, und nichts durfte im Weg sein, damit die Schauspieler nicht stol­pern konnten." Von all den Herausforde­rungen war in den Aufführungen nichts zu bemerken: Wenn alles klappt, nimmt man die Technik gar nicht wahr.  

Aktuell stehen wieder eine Menge Ver­änderungen an, denn die Stadt Verden hat inzwischen viele weitere Ideen für den einzigartigen Veranstaltungsort ent­wickelt. "Die Versorgung mit Energie und Wasser und auch die Entsorgung soll optimal umgestaltet werden, und das, ohne das Weichbild des Platzes zu beeinträchtigen." Bei alldem steht Lön­necker mit Rat und Tat zur Seite. "Aller­dings bin ich jetzt nur noch Indianer und nicht mehr Häuptling", sagt er. Das Alter fordere seinen Tribut; die Beweglichkeit sei inzwischen doch eingeschränkt. "Aber mein Kopf ist so klar wie ein Ge­birgsbach im Sommer", sagt er und grinst.

Immer auf dem Teppich geblieben

Lönnecker liebt es, die alten Geschichten zu erzählen: "Erinnerung ist ein Para­dies, aus dem einen niemand vertreibt." Ein wichtiger Ort sei immer die improvi­sierte Technik- und Aufbauzentrale ge­wesen. "Hinter der Praxis Heydrich hat­ten wir unseren großen gelben Bau­wa­gen, da hat sich alles abgespielt. Das Beste dabei waren die Bröt­chen von Kaufhold." Er selbst habe im­mer "Schredderschwein" bestellt, und für Gabriele Müller musste es Fleischsalat sein. Nun ist der gelbe Wagen Vergan­genheit, denn in diesem Jahr er­hält erst­mals auch die Technik ihren ei­genen Container.

In weiteren Aufführungen war Lönne­cker mal Dompfarrer, mal zwielichtiger Notar, aber in den vergangenen Jahren war er einfach einer aus dem Volk. "Da bist du einer von vielen, das ist irgendwie ent­schleunigend, auch wenn die Sprech­rol­len großen Spaß gemacht haben." Mit Regisseur Hans König arbeitet Lönne­cker besonders gern. "Er ist so ausgegli­chen, immer freundlich und gelassen. Das heißt aber nicht, dass er sich leicht zufriedengibt."

Als Notar Henrikus El­vers habe er eine Szene immer wieder aufs Neue proben müssen, bis König zu­frieden war: "24 Mal 'O Freia, wie bin ich dir dankbar'." Das wird er wohl nie­mals vergessen. Was ihm die Domfest­spiele bedeuten? Wie immer bleibt er auf dem Teppich: "Ich habe das Gefühl, was von Bedeutung zu machen, was mir auch noch Spaß macht."