Der Countdown läuft: Nur noch wenige Wochen bis zur Premiere der Verdener Domfestspiele 2022 am Freitag, 29. Juli. Das aktuelle Stück "Die rebellische Hexe" stammt wieder vom Bremer Schauspieler und Autor Hans König. Opulente Kostüme, meisterhaft arrangierte Bühnenmusik mit Gesang und raffinierten Choreografien und ein besonders aufwendiges Bühnenbild auf drei Ebenen garantieren geradezu opernhaften ästhetischen Genuss.
Rund 10.000 Besucher kommen im Schnitt in jeder Festspielsaison nach Verden; die überdachten Tribünen bieten für circa 900 Menschen pro Vorstellung Platz. Auf einer 50 Meter breiten, nicht überdachten Freiluftspielfläche werden spannende Ereignisse aus der Verdener Stadthistorie erzählt. In diesem Jahr bildet die wahre Geschichte von der jungen Verdenerin Margarethe Sievers den Kern der Handlung. Das 16-jährige an Epilepsie erkrankte Mädchen wird im Jahr 1616 von seiner eigenen Stiefmutter als Hexe denunziert. Damals habe die Hexen-Hysterie einen Höhepunkt erreicht, weiß Hans König: "In jener Zeit wurde der 'Hexenhammer' des berüchtigten Inquisitors Heinrich Kramer weit häufiger als die Bibel verkauft."
Probleme mit dem Wetter
Organisiert wird das Spektakel von einem gemeinnützigen Verein, 1997 gegründet. Das Organisationsteam, die Darsteller und viele weitere Mitwirkende opfern Monate ihrer Freizeit, um das Theaterstück mitsamt Tanz und Musik einzustudieren, die Kostüme, die Requisiten, die Masken und das Bühnenbild fertigzustellen und den Aufbau am Festplatz zu leisten.
Die Domfestspiele sind aus Verden und der Region nicht mehr wegzudenken. Das ist auch an der Unterstützung der vielen privaten und öffentlichen Förderer abzulesen, ohne die ein solches Mammutprojekt nach Aussage der Organisatoren nicht zu verwirklichen wäre.
Vor allem in den ersten Jahren mussten die Veranstalter viele Hürden überwinden. Auch das Wetter sorgte immer wieder für Probleme. Elektrikermeister Udo Lönnecker, seit 1998 mitverantwortlich für die technische Versorgung des Platzes, erinnert sich: "Zuerst waren ja noch nicht einmal die Tribünen überdacht. Das wurde erst 2003 nachgeholt." Die Zuschauer wussten den neuen Komfort sehr zu schätzen, besonders, als das Stück "Liebesleid und Mauerstreit" im Jahr 2005 förmlich abzusaufen drohte. "Wir haben immer 'Kondomfestspiele' gesagt", lacht Lönnecker und führt weiter aus: "Schon bei der Premiere gab es Dauerregen, alle hatten durchsichtige Überzüge über den Kostümen."
Ästhetik und Spielwitz
Und das war sehr schade, denn so konnten die Zuschauer die Kostüme kaum sehen. Sie sind eine besondere Spezialität der Domfestspiele, denn das Kostümbildner-Team um Beate Ambroselli achtet darauf, dass bei jeder Produktion exakt der Stil der jeweiligen Epoche getroffen wird. "Diesmal ist es ein fließender Übergang von der spanischen Mode zur Zeit des 30-jährigen Krieges", erklärt die gelernte Modedesignerin. "Die spanischen Elemente sind noch sichtbar; Pumphosen, Mühlsteinkragen und aufwendige Fältelungen, gedeckte dunkle Farben, hochgeschlossene Kleider." Die neu aufkommende Mode sei viel opulenter gewesen: "So wie bei den drei Musketieren, und für die Frauen fließende farbenfrohe Stoffe und viel Dekolleté."
Das sieht doch ganz nach einem großen Augenschmaus aus! Freuen darf sich das Publikum auf Momente der Hochspannung und des Nervenkitzels, auf viel Spaß und witzige Dialoge, auf ziemlich gruselige Szenen und eine Fülle schöner Bilder. Zum Beispiel, wenn der Domprediger im Schlummer liegt und dabei von hübschen Frauen träumt: So schräg und so schön zugleich – das neue Stück zeichnet sich durch Ästhetik und Spielwitz aus.
Die als Hexe verdächtigte Margarethe Sievers wird in der Folter gezwungen, noch weitere Frauen zu verraten: Drei Verdenerinnen sterben gewaltsam im Kerker. Margarethe selbst entgeht dem Massaker. Dieses wird dann Gegenstand einer raffinierten kriminalistischen Nebenhandlung, denn der Teufel, der für die Morde verantwortlich gemacht werden soll, pflegt üblicherweise nicht mit dem Messer zu morden.
Behäbiger Bonvivant
Der fiese Inquisitor Jan von Modder entdeckt übrigens nicht nur im gemeinen Volk die Spuren des Satans. Bischof Sigismund ist davon nicht sehr begeistert: Ist der behäbige Bonvivant doch allen sinnlichen Genüssen zugetan und keinesfalls an allzu akribischen Inquisitoren-Blicken interessiert. Diese Szenen rund um die Verdener Geistlichkeit dürften ganz besonders komisch werden.
Nun entspinnen sich allerlei Intrigen; die einen wollen Margarethe so schnell wie möglich ohne Kopf sehen, die anderen wollen sie retten. Der Schluss wird nicht verraten – nur so viel: Auf das Publikum der Verdener Domfestspiele, gern als norddeutsches Oberammergau bezeichnet, wartet ein echter Knalleffekt.