Von Susanne Ehrlich
Verden. "Wer Theater spielt, muss ja sowieso ein bisschen verrückt sein", ist der Kirchlintler Sozialarbeiter und Theatermacher Bernd Maas überzeugt. "Und da haben wir uns eben gefunden – eine große Familie von Verrückten." Seit ihn Dieter Jorschik zur allerersten Produktion im Jahr 1998 holte, wirkt er bei den Domfestspielen mit und ist seitdem immer stärker mit der Schauspielerei verschmolzen.
"Alles, was ich gelernt habe und heute mache, habe ich den Domfestspielen zu verdanken", sagt Maas. "Bei einer der allerersten Aufführungen des 'Bischof von Verden', in der ich den Dom-Dechanten spielte, saßen zwei Lehrer der Bremer Schauspielschule im Publikum. Die haben mich nach der Vorstellung direkt angesprochen." Neben seinem Beruf besuchte er für mehrere Jahre die Schauspielschule, die damals an das Ernst-Waldau-Theater angegliedert war. "Ich bekam ein Stipendium und musste nichts bezahlen, irgendwas müssen die in mir gesehen haben." Schon vorher hatte er ein wenig an verschiedenen Dorfbühnen wie beispielsweise in Luttum oder Daverden geschauspielert. "Mich hatte wohl von Anfang an das Theatervirus gepackt, ich war schon als Kind immer der Pausenclown."
Maas wird zum "Bösewicht"
Nun kam ihm auch seine Ausbildung zugute. Schon im Jahr 2000 bei der Wiederaufnahme des "Bischofs" bekam er eine Hauptrolle. "Ich war der böse Blutmönch Ronan von Connacht, der für den Bischof Auftragsmorde erledigt." Von nun an blieb der "Bösewicht" an ihm hängen, und er war damit zufrieden: "Solche Rollen können sehr mehrdimensional sein, und gerade das macht mir großen Spaß." Nur einmal habe er auch seine komische Seite zeigen können: "In 'Liebesleid und Mauerstreit' war ich Donald Donnerbart und konnte das Publikum zum Lachen bringen." Auch in diesem Jahr wollte er mal kein Fiesling sein und bekam die Rolle des Hans Sievers. "Zuerst war Margarethes Vater ein wenig naiv, aber jetzt kriegt er immer mehr Kontur. Er ist traurig und depressiv, aber auch rachsüchtig und sogar bösartig." Maas liebt das Zerrissene, das Ambivalente. "Das kommt meiner Vorstellung von Schauspiel sehr nahe."
Inzwischen hat er fast seine ganze Familie mit dem Theatervirus infiziert. Sohn Julian (18) ist schon lange begeisterter Domi, muss aber diesmal wegen eines Freiwilligenjahres pausieren. "Der ist ganz traurig, dass er nicht mitmachen kann, erzählt Schwester Swantje (12), die in diesem Jahr auch dabei ist. "Mein Bruder und mein Vater sind da immer zusammen hingefahren, und jetzt dachte ich, das ist bestimmt ganz cool und wollte das auch mal probieren."
Swantje spielt in einer achtköpfigen Gruppe von Darstellern. "Ich bin ein Mädchen aus dem Volk und meine Mutter ist Marktverkäuferin. Wir sind vier Mütter und vier Kinder", erzählt sie. "Wir verstehen uns alle gut, und es ist toll, dass wir dasselbe machen, denn dann sind wir in den Pausen nie allein." Die Harmonie in der Domi-Familie hat auch sie schon gespürt: "Es macht mit allen so viel Spaß, und ich freue mich immer richtig auf die Proben."
Dass die Schule nicht zu kurz kommt, ist für Swantje Ehrensache. "Ich hatte schon mal eine Klassenarbeit nach zwei Probentagen. Da habe ich mir meine Zeit ganz genau eingeteilt, damit ich genug Zeit zum Lernen hatte." Nur Mutter Meike Maas ist immun gegen das Virus. "Meine Frau sagt immer, einer in der Familie muss vernünftig bleiben", erklärt Bernd Maas und lacht.
Eigenes Theater gegründet
Auch zwischen den Domfestspiel-Produktionen wird dem Theaternarren nicht langweilig. "Ich mag die Rolle des Klaus Störtebeker", sagt der vielseitige Darsteller, der seit vielen Jahren die Lätare-Spende mitgestaltet. "Der ist schon fast zu meinem Alter Ego geworden." Früher habe er oft bei den Museumsgeistern mitgespielt oder auch beim Sommer in Lesmona. Mittlerweile hat er seine eigene Bühne im "Theater im Krug" in Kirchlinteln. "Mir hat es nicht gefallen, dass ich hier so viele Talente gesehen habe, für die es kein Theater gab. Da habe ich einfach eins gegründet."
Jedes Jahr werden hier fünf Einakter aufgeführt, beispielsweise Stücke von Monty Python oder Loriot und viel Selbstgeschriebenes. "Das ist immer ausverkauft", freut sich Maas über den Erfolg seiner Idee. Besonders beliebt beim Publikum sei das Duo "Eddi und Karl" alias Bernd Maas und Jann Schwecke mit plattdeutschem Klatsch und Tratsch vom Feinsten. "Eines meiner nächsten Projekte ist der 'Totmacher', ein Stück über den Serienmörder Fritz Hamann."
Doch wenn die Domfestspiele anstehen, muss alles andere warten. "Das ist für mich ein riesiges Sozio-Projekt, wo sich Menschen kennenlernen, Freundschaften schließen, zusammen etwas entstehen lassen – wie das immer wieder zusammenwächst, das ist einzigartig." Eine entscheidende Rolle spiele dabei Regisseur Hans König: "Die Domfestspiele und er haben sich einfach gefunden." Man merke, dass König Theaterpädagoge sei. "Von ihm geht so viel Ruhe aus, und er gibt jedem Einzelnen seine Aufmerksamkeit. Ich habe Hans noch niemals aufgeregt oder auch nur ungeduldig gesehen", sagt Maas. "Dieter Jorschik war mein Ziehvater, aber von Hans lerne ich am allermeisten." Herausragendes Merkmal Königs sei die in jedem Moment spürbare Wertschätzung, die sich auf das ganze Ensemble übertrage. "Selbst die kleinste Rolle wird inszeniert, und jeder kann auf der Bühne nonverbal seine eigene Geschichte erzählen."
Weser Kurier, 19.05.22